Wesentliche Aufgaben und Verfahren der Beschlussfassung
Der Staatsrat wurde mit Art. 31 Preußischer Verfassung (PV) vom 30.11.1920 zur Vertretung der Provinzen bei der Landesgesetzgebung und der Landesverwaltung gebildet. So bildete der Staatsrat neben dem Landtag eine zweite Kammer der Legislative des Freistaats Preußen.
Bei seinen Abstimmungen entschied der Staatsrat nach Art. 38 Abs. 2 PV mit einfacher Mehrheit der Abstimmenden.
Der Staatsrat verfügte nach Art. 42 PV für alle vom Landtag beschlossenen Gesetze über ein Einspruchsrecht. Hatte der Staatsrat gegen ein solches Gesetz diesen Einspruch erhoben, so wurde das Gesetz dem Landtag erneut vorgelegt. Entschied der Landtag mit
Zweidrittelmehrheit für die Annahme des Gesetzes, so konnte das Gesetz in Kraft treten. Entschied der Landat mit einfacher Mehrheit, war das Gesetz hinfällig, wenn es nicht in einem Volksentscheid, den der Landtag für diesen Gesetzentwurf herbeiführen konnte, angenommen
wurde. Außerdem hatte der Staatsrat ein beschränktes Zustimmungsrecht für Haushaltsbeschlüsse des Landtags, die nicht von der Landesregierung in die Wege geleitet worden waren.
Daneben hatte der Staatsrat nach Art. 40 PV Informations- und Begutachtungsrechte über Gesetzes- und Verwaltungsvorhaben.
Schließlich spielte der Präsident des Staatsrats für die Auflösung des Landtags nach Art. 14 PV eine Rolle. Neben der Selbstauflösung des Landtags durch Beschluss der Mehrheit seiner Mitglieder und der Auflösung durch Volksentscheid war danach die Auflösung durch Beschluss
eines Ausschusses möglich. Dieser Ausschuss bestand aus dem preußischen Ministerpräsidenten, dem Präsidenten des Landtags und dem Präsidenten des Staatsrats. Der Ausschuss entschied mit der Mehrheit seiner Mitglieder.
Zusammensetzung und Mitgliedschaft
Im Staatsrat waren jede Provinz, die Stadt Berlin und der Regierungsbezirk (ab 1.7.1922 Provinz) Grenzmark Posen-Westpreußen und der Regierungsbezirk Hohenzollernsche Lande (ab 1929: "Hohenzollerische Lande") mit je eigenen Mitgliedern vertreten.
Die Zahl der Vertreter jeder Provinz und der Stadt Berlin wurde nach jeder Volkszählung entsprechend der Bevölkerungszahl in Art. 32 Abs. 1-2 PV festgelegt. Dabei erhielt jede Provinz mindestens 3 Vertreter unabhängig von der Bevölkerungszahl. Der Regierungsbezirk der
Hohenzollernschen Lande entsandte nach Art. 32 Abs. 3 PV immer 1 Vertreter.
Die Vertreter jeder Provinz wurden durch den jeweiligen Provinziallandtag (in der Grenzmark Posen-Westpreußen bis 30.6.1921 und in den Hohenzollernschen Landen durch den Kommunallandtag, in Berlin durch die Stadtverordnetenversammlung) gewählt. Dies geschah
nach jeder Neuwahl des Provinziallandtags durch Verhältniswahl mit starren Listen und in den Hohenzollernschen Landen durch Mehrheitswahl. Wählbar war nach Art. 33 Abs. 1 PV jeder Landtagswahlberechtigte ab dem 25. Lebensjahr, der mindestens seit 1 Jahr vor der Wahl in
der jeweiligen Provinz wohnhaft war.
Gleichzeitige Mitgliedschaft im preußischen Landtag und im Staatsrat war nach Art. 33 Abs. 2 PV nicht zulässig. Wer als Landtagsabgeordneter in den Staatsrat gewählt wurde, musste sein Mandat im Landtag abgeben und vice versa.
Das Mandat war nach Art. 34 PV frei.
21.02.1921 | 19.11.1922 | 29.11.1925 | 17.11.1929 | 12.03.1933 | ||
Provinz Ostpreußen | 4 | 4 | 5 | 5 | 5 | |
Provinz Brandenburg | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | |
Stadt Berlin | 8 | 8 | 8 | 8 | 8 | |
Provinz Pommern | 4 | 4 | 4 | 4 | 4 | |
Grenzmark Posen-Westpreußen | 3 | 3 | 3 | 3 | 3 | |
Provinz Niederschlesien | 6 | 6 | 6 | 6 | 6 | |
Provinz Oberschlesien | 5 | 3 | 3 | 3 | 3 | |
Provinz Sachsen | 6 | 6 | 7 | 7 | 7 | |
Provinz Schleswig-Holstein | 3 | 3 | 3 | 3 | 3 | |
Provinz Hannover | 6 | 6 | 6 | 6 | 6 | |
Provinz Westfalen | 9 | 9 | 10 | 10 | 10 | |
Provinz Hessen-Nassau | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | |
Rheinprovinz | 14 | 14 | 15 | 15 | 14 | |
Hohenzollerische Lande | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | |
Insgesamt | 79 | 77 | 81 | 81 | 80 |
Datumsangaben: Termine geben den Zeitpunkt der Provinziallandtagswahlen an. Unmittelbar danach wurde die Zahl der Vertreter jeder Provinz durch Verordnung festgelegt. Beim ersten Zusammentritt des Staatsrats nach den Provinziallandtagswahlen 1921 fand keine solche Wahl in der Provinz Oberschlesien statt. 1922 fand diese Wahl nur in der Provinz Oberschlesien statt.
Mandatsverteilung nach FraktionenKPD | USPD | SPD | DDP | Z | AG | WP | DHP | NSDAP | Gesamt | |
21.02.1921 | 3 | 6 | 20 | 3 | 20 | 26 | 0 | 1 | - | 79 |
16.10.1921 | 3 | 5 | 21 | 3 | 20 | 26 | 0 | 1 | - | 79 |
19.11.1922 | 3 | 5 | 19 | 3 | 19 | 27 | 0 | 1 | - | 77 |
29.11.1925 | 5 | 0 | 24 | 2 | 17 | 32 | 1 | - | - | 81 |
17.11.1929 | 6 | - | 22 | 3 | 19 | 28 | 3 | 0 | 0 | 81 |
12.03.1933 | 0 | - | 8 | 0 | 12 | 6 | 0 | 0 | 54 | 80 |
Angaben zur Mandatsverteilung nach Fraktionen im Staatsrat in den einzelnen Provinzen finden sich in den Dateien zu den Provinziallandtagen jeder Provinz
Datumsangaben: Termine der Provinziallandtagswahl; die Wahl der Mitglieder des Staatsrats fand durch die Provinziallandtage zu je unterschiedlichen Terminen ca. 3-4 Wochen nach der Provinziallandtagswahl statt.
1921/II Zusammensetzung nach der Wahl der Stadtverordnetenversammlung von Berlin
1922: Zusammensetzung nach der Wahl des Provinziallandtags von Oberschlesien
AG: in der "Preußischen Arbeitsgemeinschaft im Staatsrat" schlossen sich die Vertreter der DNVP, der DVP und gelegentlich weiterer bürgerlicher und rechter Parteien zusammen. Diese Parteien stellten in der Regel schon bei der Wahl der Vertreter der einzelnen Provinzen für den
Staatsrat gemeinsame Listen für die Wahl durch die Provinziallandtage, bildeten in den Provinziallandtagen selbst oft gemeinsame Fraktionen und kandidierten gelegentlich bereits auf gemeinsamen Listen für den Provinziallandtag selbst. Auch gehörten einige
AG-Fraktionsmitglieder keiner Partei an. Deshalb war eine Zuordnung der AG-Fraktionsangehörigen zu einzelnen Parteien nicht immer möglich. In dieser Anmerkung werden daher nur die Mitglieder einer Partei zugeordnet, deren Parteizugehörigkeit sich dennoch ermitteln ließ:
1921/I darunter DNVP 12, DVP 11, Schleswig-Holsteinische Wiederaufbaupartei (SHWP) 2, ohne Angaben (o.A.) 1; 1921/II darunter DNVP 12, DVP 10, SHWP 2, o.A. 2; 1922 davon DNVP 12, DVP 10, SHWP 2, o.A. 3; 1925 davon DNVP 15, DVP 9, o.A. 3, WP 2, SHWP 2,
DHP 1; 1929 davon DNVP 16, DVP 6, o.A. 4, CNBL 1, SHWP 1
WP: 1925 s. AG
DHP: 1921/I-1922 Hospitant in der Fraktion des Z; 1925 s. AG
Quellen
1921/I-1921/II (außer Berlin, Oberschlesien), 1922 (Berlin): Preußisches Staatsministerium (Hrsg.) 1922: Handbuch über den Preußischen Staat für das Jahr 1922. 128. Jahrgang. Berlin: R. v. Deckers Verlag. S.29-30.
1921/I-1921/II (Berlin): Pohl, Richard 1932: Der Preußische Staatsrat: Entstehung und seitherige Entwicklung. Berlin: Walther Rothschild. S.64-74.
1921/I-1921/II (Oberschlesien): Voigt, M. 1922: Handbuch für den Preußischen Staatsrat. Berlin: Preußische Verlagsanstalt. S.109, 152-155.
1922 (Oberschlesien): Preußisches Staatsministerium (Hrsg.) 1925: Handbuch über den Preußischen Staat für das Jahr 1925. 131. Jahrgang. Berlin: R. v. Deckers Verlag. S.87-95.
1925: Preußisches Staatsministerium (Hrsg.) 1927: Handbuch über den Preußischen Staat für das Jahr 1926. 133. Jahrgang. Berlin: R. v. Deckers Verlag. S.117-125.
1929: Preußisches Staatsministerium (Hrsg.) 1930: Handbuch über den Preußischen Staat für das Jahr 1930. 136. Jahrgang. Berlin: R. v. Deckers Verlag. S.133-141.
1933: Eigene Berechnungen nach den Angaben in: Lilla, Joachim (Bearb.) 2005: Der Preußische Staatsrat 1921-1933: Ein biographisches Handbuch. Düsseldorf: Droste. S.271-282.
1921/I-1922 (Zuordnung der Mandate der AG zu einzelnen Parteien): Pohl, Richard 1932: Der Preußische Staatsrat: Entstehung und seitherige Entwicklung. Berlin: Walther Rothschild. S.64-74.
1925-1933 (Zuordnung der Mandate der AG zu einzelnen Parteien): Eigene Berechnungen nach den Angaben in: Lilla, Joachim (Bearb.) 2005: Der Preußische Staatsrat 1921-1933: Ein biographisches Handbuch. Düsseldorf: Droste. S.271-282.
Die Gestaltung der Tabellen und die Angaben zu allen Ergebnissen gehen auf eigene Berechnungen auf Grundlage der Angaben in o.a. Quellen zurück.
Zuletzt aktualisiert: 23.07.2015
Valentin Schröder
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