Plenarsitzungen
Weimarer Republik 1918-1933
Erläuterungen
Das Parteiensystem in der Weimarer Republik und die Systematik seiner Darstellung auf dieser Website

In diesem Beitrag wird zum einen die Entwicklung des deutschen Parteiensystems zwischen 1914 und 1933 dargestellt. Zum anderen wird die Abbildung dieses Parteiensystems in dieser Website hergeleitet und erläutert.


Entwicklung des deutschen Parteiensystems in der Weimarer Republik

Am Ende des 1. Weltkriegs und im Verlauf der Errichtung der Demokratie in Deutschland 1917-1920, in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre und während der Weltwirtschaftskrise ab 1929 kam es zu zahlreichen Veränderungen in der Zusammensetzung des deutschen Parteiensystems und in der Anhängerschaft der einzelnen Parteien.

Bis 1914 hatten sich die politischen Hauptströmungen in Deutschland in vergleichsweise wenigen, in der Regel bereits seit Jahrzehnten bestehenden Parteien gespiegelt. Die sozialistisch orientierte Arbeiterschaft wurde von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) vertreten, der klerikal orientierte katholische Bevölkerungsteil durch das Zentrum, das liberale Bürgertum durch die sozialliberale Fortschrittliche Volkspartei (FVP) sowie die Nationalliberale Partei (NLP) und die konservativ orientierten bürgerlichen, kleinbürgerlichen und agrarischen Wähler durch die frei-konservative Deutsche Reichspartei (DRP) sowie die Deutsch-Konservative Partei (DtKP). Daneben gab es einige kleinere politische Gruppen. Einige davon verfolgten primär wirtschaftlichen Anliegen, insbesondere die Bauernparteien wie der Bund der Landwirte (BdL) und der Bayerische Bauernbund (BBB). Andere hatten einen vorwiegend regionalen Bezug, wie die Deutsch-Hannoversche Partei (DHP). Schließlich existierte eine Anzahl kleiner antisemitischer Parteien.


Umbildung des deutschen Parteiensystems im 1. Weltkrieg und in den ersten Jahren der Weimarer Republik

Bereits seit dem Beginn des 1. Weltkriegs wandten sich einige Parlamentarier der SPD gegen die Gewährung von Krediten an die Regierung zur Finanzierung von Rüstungsausgaben. Diese Gruppe bildete im April 1917 die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD). Bereits ab 1914 hatte sich innerhalb der SPD mit der "Gruppe Internationale" eine weitere Formation gebildet. Ab Dezember 1916 Spartakusbund (SB) genannt, gründete diese Gruppe im Dezember 1918 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) führend mit. Damit war die deutsche Arbeiterbewegung in drei Parteien gespalten. Im Oktober 1922 kehrte der Hauptteil der USPD wieder zur SPD zurück. Die Spaltung der Arbeiterbewegung in die republikfreundliche SPD und die strikt oppositionelle KPD bestand aber fort. Eine Reihe weiterer Abspaltungen von diesen beiden Parteien nach 1920, wie der Leninbund/Linke Kommunisten (LK), die Alte SPD (ASPD), die Kommunistische Partei-Opposition (KPO) oder die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD), blieb bedeutungslos.

Im September 1917, als im Reichstag die oppositionellen Parteien SPD, FVP und Zentrum immer dringender den Abschluss eines Friedensvertrags und die Stärkung der Rechte des Parlaments gegenüber der Regierung forderten, bildeten führende Vertreter der Nationalliberalen und Konservativen die Deutsche Vaterlandspartei. Obwohl diese Partei im Dezember 1918 aufgelöst wurde, fanden sich zahlreiche ihrer Vertreter bei der Neugruppierung der bürgerlichen Parteien 1918-1920 wieder. Diese Neugruppierung bestand zum einen in der Bildung der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) als Partei des liberalen republikanischen Bürgertums im November 1918 aus der FVP und dem linken Flügel der NLP. Zum anderen organisierten sich der größere Teil der NLP und Teile der DRP und der DtKP in der Deutschen Volkspartei (DVP). Die DVP stand der Republik zunächst ablehnend gegenüber. Schließlich bildeten die DtKP, Teile der DRP, einige Vertreter der NLP und zahlreiche ehemalige Mitglieder der Vaterlandspartei die Deutschnationale Volkspartei (DNVP). Die konservative DNVP lehnte die demokratische Regierungsform zunächst entschieden ab. So hatten sich die bürgerlichen Parteien entlang ihrer liberalen oder konservativen Programmatik und entlang der Frage ihrer Haltung zur Republik neu gruppiert.

Zwischen 1918 und 1920 spaltete sich außerdem der bayerische Teil des Zentrums als Bayerische Volkspartei (BVP) vom Zentrum ab. Während das Zentrum neben der Betonung eines politischen Katholizismus ein relativ breites Spektrum an politischen Strömungen einschloss, war die BVP klar föderalistisch und konservativ orientiert und stand den Reichsregierungen daher oft kritisch gegenüber.

Ab 1919 reorganisierten sich auch die antisemitischen Gruppen. Nach dem Krieg erlangte zum einen die 1921 von ehemaligen DNVP-Mitgliedern gegründete Deutsch-Soziale Partei (DSP) in Norddeutschland einige Bedeutung. Dazu kam ab 1923 die unter anderem ebenfalls von Mitgliedern der DNVP gegründete Deutsch-Völkische Freiheitspartei (DVFP). In München existierte seit Januar 1919 die Deutsche Arbeiterpartei (DAP), die im Februar 1920 in Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) umbenannt wurde. DVFP und NSDAP kandidierten bei einigen Wahlen im Jahr 1924 gemeinsam als Nationalsozialistische Freiheitspartei (NSFP) und erzielten dort einige Erfolge. Die darauf folgende Fusion beider Parteien zur Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung (NSFB) wurde bereits Anfang 1925 wieder aufgelöst. Die DVFP existierte danach als Deutschvölkische Freiheitsbewegung (DVFB) bis 1933 fort, hatte aber nur noch regionale und dort abnehmende Bedeutung. Die NSDAP verfügte bis zum Ende der 1920er Jahre nur in Bayern über eine nennenswerte Anhängerschaft.


Zersplitterung der bürgerlichen Wählerschaft 1924-1930

Ungeachtet der stabilisierten politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse ab 1925, bestand in weiten Teilen der Mittelschichten Unzufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik der Regierung. Zum einen fühlten sich zahlreiche kleine und mittlere Gewerbetreibende benachteiligt. Bei ihnen fand ab Mitte der 1920er Jahre die Reichspartei des Deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei - WP) und eine große Zahl weiterer, vorwiegend auf die wirtschaftlichen Anliegen dieser Gruppen orientierter Parteien (z.B. bei Wahlen kandidierende Haus- und Grundbesitzervereine und Vereine von Handel- und Gewerbetreibenden) einigen Anklang. Zum anderen forderten Inhaber von durch die Inflation 1922/23 wertlos gewordenen Vermögen Entschädigungen von der Regierung. Auch zu diesem Anliegen gründeten sich sogenannte "Aufwertungs-Parteien", deren bedeutendste die Partei für Volksrecht und Aufwertung (Volksrecht-Partei - VRP) war. Bei den Wählern dieser Parteien handelte es sich um frühere Wähler insbesondere der liberalen und konservativen Parteien.

Die DNVP verstand sich zu Beginn der 1920er Jahre als Sammlung der konservativ gesinnten, verfassungskritischen Wähler. Sie repräsentierte dadurch eine Vielzahl von Bevölkerungsgruppen, die aber abgesehen von ihrer distanzierten Haltung zur Weimarer Verfassung nur wenig verband. Dadurch erlangte die DNVP bei Wahlen zunächst eine beträchtliche Stärke und beteiligte sich an zahlreichen Landesregierungen und einigen Reichsregierungen. Da die DNVP nun selbst die Resultate von Regierungshandeln verantworten musste, trat die Unterschiedlichkeit der Interessen ihrer Unterstützer klar zutage. Bereits seit 1924 traten so Vertreter agrarischer Interessen getrennt von der DNVP bei Wahlen an. Damit dehnten sich die vorher nur regional verankerten bäuerlichen Parteien, wie der Württembergische Bauern- und Weingärtnerbund (WBWB) über große Teile des Deutschen Reichs aus. Als sich die DNVP ab dem Jahr 1928 nach einer Reihe von Wahlniederlagen wieder in Richtung eines strikten Oppositionskurses orientierte, setzte sich ihr Zerfall fort. Zum einen festigten die bäuerlichen Vertreter ihre organisatorische Basis außerhalb der DNVP mit der Gründung der Landvolkpartei (auf Reichsebene genannt "Christlich-Nationale Bauern- und Landvolkpartei" - CNBL). Diese Partei verstand sich als Interessenvertreterin der Bauern und sah in der Beteiligung an Regierungen vor allem ein Mittel zur Umsetzung dieser Interessen. Der offene Oppositionskurs der DNVP wirkte auf die Vertreter der Bauernschaft daher abschreckend. Ebenfalls 1928 spalteten sich die Vertreter des konservativen politischen Protestantismus von der DNVP ab. Sie bildeten gemeinsam mit weiteren kleineren Gruppen den konservativen, aber nicht grundsätzlich verfassungsgegnerischen Christlich-Sozialen Volksdienst (CSVD), eine Art evangelische Zentrumspartei. Schließlich trat 1929 auch eine Reihe führender verfassungsfreundlicher Politiker aus der DNVP aus und gründete die Konservative Volkspartei (KVP). Die DNVP hatte so einen wesentlichen Teil ihrer Anhänger verloren und repräsentierte ab 1930 nur noch den nationalistisch, konservativ und anti-republikanisch gesinnten Teil der Bevölkerung.

Angesichts ihrer stetigen Wahlniederlagen versuchte auch die DDP ab 1928, durch eine programmatische Neuorientierung und durch Bündnisse mit anderen politischen Gruppen ihre Position zu stabilisieren. Der einzig nennenswerte Erfolg dieser Bemühungen bestand in der Verbindung der DDP mit der Volksnationalen Reichsvereinigung (VNRV) und weiteren kleineren Gruppen zur Deutschen Staatspartei (DStP) im Juli 1930. Das Programm der DStP bedeutete eine Abkehr von der liberalen Orientierung der DDP hin zu einer stark national ausgerichteten Politik. Die Vertreter des linken Flügels der DDP gründeten daraufhin die Radikaldemokratische Partei (RDP), die jedoch bedeutungslos blieb.


Verfall der bürgerlichen Parteien und Aufstieg der NSDAP 1930-1933

Bei den Wahlen ab Mitte 1930, vor allem bei der Reichstagswahl im September 1930, erlitten die bürgerlichen Parteien große Verluste zugunsten der NSDAP. Die drei vormals wichtigsten bürgerlichen Parteien DStP, DVP und DNVP vereinten nur noch einen Bruchteil ihrer früheren Wählerschaft. DStP und DVP erlitten Verluste in geradezu bedrohlichem Ausmaß. Auch die Struktur dieser beiden Parteien begann sich aufzulösen. So trennten sich bereits im Oktober 1930 die Vertreter der VNRV von der DStP und bildeten im Reichstag auch keine gemeinsame Fraktion mit den Vertretern der ehemaligen DDP. Im Zuge einer politischen Annäherung der DVP an die DNVP ab 1931 trennten sich einige der prominentesten DVP-Politiker von dieser Partei, die daraufhin kaum noch über ein eigenes politische Profil verfügte. Die DNVP selbst konnte auf ihrem Oppositionskurs mit den Parolen der NSDAP nicht glaubwürdig konkurrieren und wurde zwischen dieser und der Unzahl kleiner Parteien politisch immer mehr zerrieben. Die kleinen in den 1920er Jahre gebildeten bürgerlichen und konservativen Parteien wiederum scheiterten bei Wahlen entweder von vornherein nahezu vollständig (wie die RDP und die KVP), mussten ab 1931/32 starke, teils vernichtende Stimmeneinbußen hinnehmen (wie die bäuerlichen, wirtschaftlichen und Aufwertungs-Parteien) oder blieben auf eine regionale Bedeutung beschränkt (wie der CSVD auf Württemberg und Westfalen). Dagegen gelang es der NSDAP bis 1932 immer besser, große Teile der bürgerlichen Wählerschaft an sich zu ziehen.

Auch wenn die Stimmeneinbußen von SPD, Zentrum und BVP nicht so dramatisch waren, erlebten auch diese Parteien einen deutlichen Niedergang. Dieser war weniger auf Stimmeneinbußen zurückzuführen, als auf eine deutliche Erhöhung der Wahlbeteiligung. So stieg die Zahl der Wähler von ca. 31 Millionen Wählern bei der Reichstagswahl 1928 auf knapp 40 Millionen Wähler im Jahr 1933. Da die Zahl der Wähler von SPD, Zentrum und BVP bei den Wahlen zwischen 1928 und 1933 aber konstant blieb oder leicht zurückging (für alle drei Parteien zusammen bei den Reichstagswahlen von ca. 14 Millionen 1928 auf ca. 13 Millionen 1933), verloren diese Parteien sehr deutlich an Stimmenanteilen (von ca. 45% 1928 auf ca. 33% 1933) und damit an Einfluss in den Parlamenten.


Umsetzung der Entwicklung des Parteiensystems in der Weimarer Republik in den Darstellungen auf dieser Website

Um die Vielzahl der bei Wahlen in der Weimarer Republik kandidierenden Parteien und Listen gleichermaßen vollständig und übersichtlich in den Tabellen dieser Website abzubilden, wurden zunächst die größeren dieser Parteien nach ihrer programmatischen Ausrichtung im klassischen politischen Links-Rechts-Spektrum eingeordnet (vgl. exemplarisch Neumann 1986/1932). Als größere Partei wurden all die Parteien verstanden, die bei dem jeweils betrachteten Wahlgebiet bei mindestens drei Wahlen kandidierten und dort Mandate im Parlament erzielten oder die bei einer Wahl mindestens 15% der Mandate erzielten. So ergab sich zunächst die Reihenfolge KPD - USPD - SPD - DDP/DStP - Zentrum - DVP - DNVP - NSDAP. Eine grafische Darstellung dazu findet sich in Abbildung 1. Dort sind auch die wichtigsten der anderen kandidierenden Parteien enthalten.

Abbildung 1: Entwicklung der Parteien in der Weimarer Republik

In einem zweiten Schritt wurden alle anderen kandidierenden Parteien nach ihrer Programmatik zu Gruppen zusammengefasst. Entlang der oben dargestellten Entwicklung der Parteien wurden dafür folgende Gruppen gebildet:
-"Diverse Linke" für die kleineren linksextremen und linksliberalen Parteien (z.B. LK, ASPD, RPD, KPO, SAPD);
-"Bauern" für die Parteien mit vorwiegend agrarischen Anliegen (z.B. BBB, WBWB, Landvolk, Landbund);
-"Bürger" für die Interessenparteien der bürgerlichen Mittelschichten, einschließlich der Aufwertungsparteien (z.B. WP, VRP);
-"Diverse Rechte" für die konservativen und antisemitischen Parteien (z.B. KVP, CSVD, Welfen/DHP, NSFB, DVFP).

Um in einem dritten Schritt diese Gruppen miteinander und mit den größeren Parteien in eine Reihenfolge zu bringen, wurde untersucht, wie das politische Verhältnis der in diesen Gruppen vertretenen Parteien zueinander und zu den größeren Parteien war. In der Annahme, dass die gemeinsame Beteiligung der Vertreter mehrerer Parteien an einer Regierung als Indikator für ihre gegenseitige programmatische Nähe interpretierbar ist, wurde nun erhoben, wie oft die einzelnen in diesen Gruppen vertretenen Parteien und die größeren Parteien sich an der Reichsregierung und den Landesregierungen durch die Entsendung eigener Vertreter in die jeweilige Regierung beteiligt haben, und zwar in den Zeiträumen, in denen sie in den jeweiligen Parlamenten vertreten waren. Dies wurde beginnend mit dem Tag des Inkrafttretens der Weimarer Verfassung am 15. August 1919 je ca. halbjährlich zum Stichtag 1.1. und 1.7. getan. Abweichungen von diesen beiden Stichtagen um bis zu 14 Tage wurden dann in Kauf genommen, wenn binnen dieser Frist in einem Land eine Änderung in der Zusammensetzung der Regierung erfolgte.

Dafür wurde getrennt zum einen für den Reichstag und zum anderen für die Länder gezählt, an wie vielen dieser Stichtage eine Partei im Reichstag bzw. in jedem einzelnen Landtag vertreten war und an wie vielen dieser Stichtage sie in der Reichsregierung oder der jeweiligen Landesregierung vertreten war. Bei den insgesamt 28 Stichtagen konnte eine Partei höchstens 28-mal in einem Landtag verteten sein und höchstens 28-mal an der Regierung dieses Landes beteiligt sein. Bei den insgesamt 17 einbezogenen Landtagen ergab dies maximal 28 x 17 = 476 mögliche Vertretungen in allen Landtagen und ebenso viele mögliche Regierungsbeteiligungen in den Ländern. Die tatsächliche Anzahl der Stichtage, an denen eine Partei an einer Landesregierung beteiligt war, wurde danach in das Verhältnis zur Anzahl der Stichtage ihrer Vertretung in den Landtagen gesetzt. Der daraus resultierende Wert wurde mit 100 multipliziert und als Prozentwert "Index (LT)" genannt. Wenn z.B. eine Partei an insgesamt 125 Stichtagen in den einzelnen Landtagen vertreten war und an insgesamt 100 Stichtagen an den einzelnen Landesregierungen beteiligt war, ergab dies einen Index-Wert von 100/125 = 0,8; 0,8 x 100% = 80%. Für die größeren Parteien wurde dieser Index unmittelbar verwendet. Für die zu Gruppen zusammengefassten Parteien wurden zunächst die Mittelwerte der jeweiligen Häufigkeiten der einzelnen Parteien gebildet und der Mittelwert dieser für die Indexbildung verwendet.

Bei dieser Erhebung nicht beachtet wurde Waldeck, weil dieses Land bereits 1929 in Preußen eingegliedert wurde, bis dahin über keine eigene Verfassung verfügte, wesentliche exekutive Aufgaben bereits seit 1867 durch einen Vertreter der preußische Regierung wahrgenommen wurden und dieser nicht dem Landesparlament verantwortlich war.
Die thüringischen Staaten, die zum 1.7.1920 gemeinsam das Land Thüringen bildeten, wurden an den beiden Stichtagen, an denen sie noch einzeln bestanden, als ein Land behandelt, weil bereits seit 1918/19 die Bildung eines gemeinsamen Landes vorgesehen war und durch den gemeinsamen thüringischen Volksrat bereits seit Ende 1919 eine gemeinsame Legislative bestand. Die Zusammensetzung des Volksrats wurde als Landesparlament für beide Stichtage referenziert. Als in der Regierung vertretene Parteien wurden entlang der Zusammensetzung der thüringischen einzelstaatlichen Regierungen und mit Blick auf die Hauptakteure der Vereinigung Thüringens für diese beiden Stichtage die SPD, die USPD und die DDP angenommen. Grundlage für die Ermittlung der Regierungsbeteiligung waren die Angaben in Huber 1981, S. 744-852. Die Angaben zur Vertretung in den einzelnen Landtagen wurden den Angaben auf dieser Website entnommen.

Für die Ermittlung der Werte der Regierungsbeteiligung für die im Reichstag vertretenen Parteien wurde mit folgenden Ausnahmen ebenso ein "Index (RT)" gebildet.
Zum einen wurde hinsichtlich der Teilnahme an den Reichsregierungen die Fraktionszugehörigkeit der Vertreter der einzelnen Parteien im Reichstag beachtet und nicht die Wahlvorschläge, auf denen diese Vertreter bei den Wahlen kandidierten, weil es infolge zahlreicher Fraktionswechsel im Lauf jeder Legislaturperiode zu deutlichen Verschiebungen in der politischen Zusammensetzung des Reichstags kam. Diese Verzerrungen konnten durch den Bezug auf die Fraktionen vermieden werden. Davon waren insbesondere die Vertreter des Landbunds, der CNBL, der KVP und des CSVD betroffen, die zeitweise der Fraktion des DNVP angehörten (Landbund, CNBL) und/oder deren Vertreter ehemalige DNVP-Angehörige waren (CNBL, KVP, CSVD), die sich später teils in eigenen Fraktionen (CNBL) organisierten und teils gemeinsame Fraktionen bildeten (KVP, CSVD). Gehörte nur ein Teil der Vertreter einer Partei einer Fraktion an, so wurde die zugehörige Partei dann als der enstprechenden Fraktion zugehörig gewertet, wenn die Mehrheit ihrer Vertreter der Fraktion angehörte. Die Angaben hierzu wurden den unten unter "Fraktionen" genannten Veröffentlichungen entnommen. Zum anderen wurde anstelle des 1.1.1933 als letzter Stichtag der 9.12.1932 verwendet. Dies war der letzte Tag, an dem der Reichstag im Beobachtungszeitraum tagte. War eine einer Gruppe zugeordnete Partei nicht im Reichstag vertreten, wurde sie bei der Ermittlung des Wertes dieser Gruppe für den Index (RT) nicht berücksichtigt.

Nun wurde der Mittelwert aus dem Index (LT) und dem Index (RT) gebildet. Dieser Mittelwert wurde schließlich für die Zuordnung der Gruppen zueinander und zu den größeren Parteien verwendet und "Regierungsbeteiligung" genannt. Die entsprechenden Werte sind in Tabelle 1 dokumentiert.

Tabelle 1: Index zur Regierungsbeteiligung der Parteien in der Weimarer Republik
  Vertreten im Reichstag Regierungsbeteiligung (Reich) Index (RT) Vertreten in den Landtagen Regierungsbeteiligung (Länder) Index (LT) Index der Regierungsbeteiligung  
KPD 26 0 0,0 362 0 0,0 0,0  
USPD 7 0 0,0 88 16 18,2 9,1  
Diverse Linke 5,0 0,0 0,0 29,0 8,0 27,6 13,8  
LK 4 0 0,0 - - - 0,0  
KPO/SAPD 1 0 0,0 3 0 0,0 0,0  
USPD (Linke) - - - 4 0 0,0 0,0  
ASPD - - - 7 7 100,0 100,0  
Gewerkschaftsbund - - - 15 1 6,7 6,7  
SPD 28 10 35,7 476 330 69,3 52,5  
DDP 28,0 22,0 78,6 462,0 303,0 65,6 72,1  
Z 28 26 92,9 211 133 63,0 78,0  
BVP 28,0 13,0 46,4 28,0 26,0 92,9 69,7  
DVP 28 20 71,4 425 134 31,5 51,5  
DNVP 28,0 7,0 25,0 459,0 104,0 22,7 23,9  
Bauern 20 2 10,0 51,25 13,75 26,8 18,4  
BBB 28 0 0,0 28 20 71,4 35,7  
Landvolk 10 3 30,0 58 5 8,6 19,3  
WBWB 26 5 19,2 28 18 64,3 41,8  
Landbund 16 0 0,0 91 12 13,2 6,6  
Bürger 17,5 1,5 8,6 85 20 23,5 16,1  
WP 26 3 11,5 115 17 14,8 13,2  
VRP 9 0 0,0 55 23 41,8 20,9  
Diverse Rechte 8 0,7 8,3 26 3,8 14,6 11,5  
KVP 5 4 80,0 11 0 0,0 40,0  
Welfen 27 0 0,0 36 2 5,6 2,8  
CSVD 5 0 0,0 30 0 0,0 0,0  
DSP 2 0 0,0 0 0 0,0 0,0  
DVFP 1 0 0,0 35 11 31,4 15,7  
NSFB 8 0 0,0 18 6 33,3 16,7  
NSDAP 10 0 0,0 134 19 14,2 7,1  
Maximum 28,0 26,0 92,9 476,0 330,0 100,0 100,0  
Minimum 1,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0  
Mittelwert 16,5 4,9 21,3 127,2 47,5 30,7 26,3  
Std.-Abw. 11,1 7,9 31,1 166,2 89,9 31,5 28,7  

So ergab sich für die Verortung der Parteien zueinander eine zweidimensionale Darstellung: nach der Links-Rechts-Achse in der horizontalen Dimension und nach der Regierungsbeteiligung in der vertikalen Dimension. Sie ist in Abbildung 2 dargestellt. Ergänzend wird auch die Position der einzelnen Parteien, die in den Gruppen "Bauern", "Bürger" und "Diverse Rechte " (DR) zusammengefasst wurden, für die Dimension der Regierungsbeteiligung wiedergegeben.

Abbildung 2: Position der Parteien in der Weimarer Republik nach Links-Rechts-Achse und nach Regierungsbeteiligung


Bei denjenigen Parteien und Listen, die zwar kandidierten, die aber keine Mandate in den jeweiligen Parlamenten erzielten oder die nur bei einer einzigen Wahl oder in einem einzigen Land Mandate erzielten, wurde wie folgt verfahren: wenn sie an den Wahlvorschlag (Reichs- oder Landeswahlvorschlag) einer der in Tabelle 1 verzeichneten Listen angeschlossen waren, wurden sie der diesem Wahlvorschlag programmatisch am nächsten kommenden Kategorie ("Diverse Linke", "Bauern", "Bürger" oder "Diverse Rechte") zugeordnet. Diejenigen Listen, die an keinen solchen Wahlvorschlag angeschlossen waren, die einen eigenen Wahlvorschlag (Reichs- oder Landeswahlvorschlag) gebildet hatten oder die an überhaupt keinen Wahlvorschlag angeschlossen waren, wurden in diejenige Kategorie ("Diverse Linke", "Bauern", "Bürger", "Diverse Rechte" oder "Nationale Minderheiten") eingeordnet, die ihnen programmatisch am nächsten kam. Die dafür verwendete Literatur ist unten summarisch angegeben. Die auch dadurch nicht kategorisierbaren Listen wurden unter "Sonstige" zusammengefasst. Die Zuordnung der einzelnen Parteien und Listen zu diesen Kategorien ist im einzelnen in den Anmerkungen unter jeder Tabelle vermerkt.
Für die - notwendiger Weise eindimensionale - Zuordnung der Parteien in den Tabellen wurden abschließend die jeweilige Position in der Links-Rechts-Achse als primäres Zuordnungskriterium und die Regierungsbeteiligung als sekundäres Zuordnungskriterium verwendet. Je geringer die Regierungsbeteiligung einer Partei war, desto weiter von der Mitte der Tabelle entfernt wurde sie so dargestellt. Dadurch ergab sich die Reihenfolge: KPD - USPD - Diverse Linke - SPD - DDP/DStP - Zentrum - BVP - DVP - DNVP - Bauern - Bürger - Diverse Rechte - NSDAP - Sonstige.


Hinweis zur Interpretation der Indices

Zwar war für das Selbstverständnis und das Verhalten der einzelnen Parteien zwischen 1919 und 1933 ihre Haltung zur Weimarer Verfassung von zentraler Bedeutung (vgl. exemplarisch Schulze 1982: 65ff.). Auch wäre zu erwarten, dass sich die Parteien dann an einer Regierung beteiligten, wenn sie mit den Regelungen dieser Verfassung übereinstimmten. Dies trifft aber nicht generell zu (vgl. ebd.). Daher sind die hier verwendeten Indices nicht ohne weiteres als Indikatoren für eine verfassungsfreundliche oder -feindliche Haltung der einzelnen Parteien zu interpretieren. Diese Haltung der einzelnen Parteien würde bei Zugrundelegung der Indices auch nur verzerrt dargestellt, weil nicht jede verfassungsfreundliche Partei aus den parlamentarischen Mehrheitsverhältnissen heraus immer die Möglichkeit einer Regierungsteilnahme hatte und nicht jede verfassungsfeindliche Partei immer auf eine Regierungsteilnahme verzichtete, wenn sie diese Möglichkeit hatte.


Literaturverzeichnis

Regierungsbeteiligung, Zuordnung kleinerer Listen und Parteien zu Kategorien:
Falter, Jürgen, Thomas Lindenberger und Siegfried Schumann 1986: Wahlen und Abstimmungen in der Weimarer Republik: Materialien zum Wahlverhalten 1919-1933. München: C. H. Beck.
Huber, Ernst Rudolf 1981: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Bd. 6: Die Weimarer Reichsverfassung. Stuttgart: Kohlhammer.
Neumann, Sigmund 1986 (zuerst 1932): Die Parteien der Weimarer Republik. 5. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer.
Schulze, Hagen 1982: Weimar: Deutschland 1917-1933. München: Siedler.

Fraktionen:
Büro des Reichstags (Hrsg.) Fortlaufende Jahrgänge: Verzeichnis der Mitglieder des Reichstags nach Fraktionen; in: Drucksachen des Reichstags. Berlin: Verlag der Reichstagsdruckerei. Passim.
Ergänzend dazu:
1919: Heilfron, Eduard (Hrsg.) 1920: Die deutsche Nationalversammlung 1919/20 in ihrer Arbeit für den Aufbau des neuen deutschen Volksstaates. Bd.1. Berlin: Norddeutsche Buchdruckerei und Verlagsanstalt. S.195.
01.01.1920-08.05.1923: Statistisches Reichsamt (Bearb.) 1923: Die Wahlen zum Reichstag am 6. Juni 1920. Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 291, Heft IV. Berlin: Verlag von Puttkammer & Mühlbrecht. S.26.
09.05.1923-31.03.1928: Statistisches Reichsamt (Bearb.) 1925: Die Wahlen zum Reichstag am 4. Mai 1924 und am 7. Dezember 1924 (Zweite und dritte Wahlperiode). Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 315, Heft VI. Berlin: Verlag von Reimar Hobbing. S.30-32.
13.10.1930-04.06.1932: Statistisches Reichsamt (Bearb.) 1932: Die Wahlen zum Reichstag am 14. September 1930 (Fünfte Wahlperiode). Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 382, Heft III. Berlin: Verlag von Reimar Hobbing. S.12-13.
30.08.1932-12.09.1932: Büro des Reichstags (Hrsg.) 1932: Reichstagshandbuch VI. Wahlperiode 1932. Berlin: Verlag der Reichstagsdruckerei. S.6-12.
06.12.1932-09.12.1932: Büro des Reichstags (Hrsg.) 1933: Reichstagshandbuch VII. Wahlperiode 1932. Berlin: Verlag der Reichstagsdruckerei. S.195-204.

Zuletzt aktualisiert: 20.03.2010
Valentin Schröder
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