Deutschland vor 1918
Landtagswahlen
Herzogtum Braunschweig

Mandatsverteilung
Politische Parteien stellten bei den Wahlen keine Kandidaten in ihrem eigenen Namen auf und bildeten auch keine förmlichen Fraktionen. Die Wahlergebnisse oder die Zusammensetzung der Wählerschaft wurden amtlich nicht dokumentiert. Auch nichtamtliche Quellen liegen dazu bislang nicht vor. Es sind auch keine Quellen hierzu bekannt. Die Mandatsverteilung in der Landesversammlung ist deshalb unbekannt. Hinsichtlich der Mehrheitsverhältnisse in der Landesversammlung wird Folgendes vermutet. Da zum einen lt. Schröder (1995: 171) die SPD nur bei der Wahl am 13. Januar 1909 ein Mandat erzielte und dieses für ungültig erklärt wurde und zum anderen laut Zöllner (1975: 136) die Nationalliberalen "einen gemeinsamen politischen Nenner" für "die 'bürgerlichen' Wählerschichten" bildeten, könnten nationalliberal gesinnte Abgeordnete zumindest ab 1871 stets nahezu alle Mandate erzielt haben.

Erläuterungen zum Wahlrecht
Die Landesversammlung bestand nach dem Gesetz vom 6.5.1899 aus 48 Abgeordneten Von ihnen wurden 18 durch "Berufsstände" (5 von den höchstbesteuerten Einkommensteuerpflichtigen, 4 von den Großgrundbesitzern, 4 von den "wissenschaftlichen Berufsständen", 3 von den Gewerbetreibenden, 2 von den Geistlichen der Lutherischen Landeskirche) und 30 durch allgemeine Wahlen (je 15 in den Stadt- und Landgemeinden) bestimmt. Bei letzteren galt ein indirektes Dreiklassenwahlrecht.

Zur Quellenlage und deren Folgen für die Angaben hier
Die Ergebnisse von Wahlen wurden von den Behörden vieler deutscher Staaten zunächst nur unvollständig oder gar nicht dokumentiert und veröffentlicht. Erst ab ca. 1848 begannen die meisten Staaten, Angaben zu Wahlen amtlich zu erfassen und zu veröffentlichen. Von Staat zu Staat, bzw. ab 1867/71 von Bundesstaat zu Bundesstaat, unterschieden sich die Angaben für die jeweiligen Landtagswahlen aber sehr stark. Oft wurden nur Informationen zur wahlrechtlichen Zusammensetzung der Wählerschaft dokumentiert, die für die Durchführung der Wahlen relevant waren, insbesondere die Zahl der Wähler pro Wählerklasse bei ungleichem Wahlrecht oder die Zahl der Wähler und Wahlmänner in den Wahlkreisen bei indirektem Wahlrecht. Nur in einigen Bundesstaaten wurden zumindest seit den 1860er Jahren auch Wahlergebnisse im heute gebräuchlichen Sinne dokumentiert und veröffentlicht, also Stimmenzahlen für die Kandidaten, die Zahl der Wahlberechtigten, abgegebenen, gültigen und ungültigen Stimmen und die resultierende Mandatsverteilung nach Parteien. Zusätzlich unterbrachen einige Bundesstaaten diese Dokumentation zeitweise, schränkten sie ein und/oder änderten die dortigen Angaben. Außerdem wurden einige Angaben offenbar zwar amtlich erhoben, aber nicht auch veröffentlicht. Diese oftmals lückenhafte amtliche Dokumentation kann für einige Bundesstaaten durch nichtamtliche Veröffentlichungen ergänzt werden, insbes. Jahrbücher wie z.B. Roloff (1906) oder Veröffentlichungen der Parteien selbst, z.B. Kalkoff (1917). Außerdem existiert für einige Bundesstaaten mittlerweile Sekundärliteratur zu den Abgeordneten und damit in der Regel auch zur Zusammensetzung der Landesparlamente nach Fraktionen. Dadurch lassen sich die Ergebnisse der Landtagswahlen für viele Bundesstaaten gar nicht oder nur teilweise ermitteln.
Das lässt sich am Beispiel des Königreichs Sachsen verdeutlichen. Die sächsische amtliche Statistik verzeichnet im Zeitraum 1869-1896 partei- und wahlkreisgenaue Angaben für alle Wahlen zur Zweiten Kammer der Ständeversammlung. Im Zeitraum 1897-1908 enthält sie nur wahlkreisgenaue Angaben zu den Zahlen der Urwähler und Wahlmänner entlang der neu eingeführten drei Wählerklassen. Im Zeitraum 1909-1918 schließlich legt sie wieder partei- und wahlkreisgenau die Ergebnisse dar. Das Statistische Jahrbuch für Sachsen von 1913 liefert wiederum für die Zeit 1903-1908 (also für einen Zeitraum, zu dem die entsprechenden unmittelbar die Wahlen betreffenden amtlichen Veröffentlichungen dazu schweigen) auch Angaben zu den Stimmen für die Kandidaten der SPD auf der einen Seite und aller anderen Parteien auf der anderen. Bei Kalkoff 1917 finden sich zudem Mandatsangaben für den Zeitraum 1887-1916. Dadurch lassen sich für Sachsen die Wahlergebnisse der Landtagswahlen zum Teil und die jeweiligen Mandatsverteilungen komplett ermitteln.
Allerdings bestanden nicht in allen Parlamentskammern ab 1848 überhaupt Fraktionen oder Fraktionen entlang der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei. Oftmals wurden diese erst ungefähr um 1900 gebildet. Das betrifft besonders die kleinere Bundesstaaten. Dort ist die amtliche Dokumentation auch besonders lückenhaft oder fehlt. Besonders für die kleineren Bundesstaaten liegen daher meist nur Angaben zur Mandatsverteilung vor, und dies oft nur für die Wahlen ab ca. 1900.

Quellenverzeichnis
Kalkoff, Hermann (Hrsg.) 1917: Nationalliberale Parlamentarier 1867-1917 des Reichstags und der Einzellandtage. Berlin: Schriftenvertriebsstelle der Nationalliberalen Partei.
Roloff, Gustav (Hrsg.) 1906: Schulthess' Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. 21. Jahrgang 1905. München: C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung.
Zöllner, Christian W. 1976: 100 Jahre Wahlen in der Stadt Braunschweig 1871 bis 1972; in: Braunschweigisches Jahrbuch Bd. 57. Braunschweig: Selbstverlag des Braunschweigischen Geschichtsvereins. S.107-151.

Zuletzt aktualisiert: 01.11.2020
Valentin Schröder
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